Im Winter 2012 war die beliebte Blog-Software WordPress eben in Version 3.5 erschienen, da begannen sich nach dem üblichen Update die Bloggerinnen zu wundern. Wo sind denn jetzt meine Artikel geblieben? Die gibt’s nicht mehr!! – Nach der Schrecksekunde: – Ah, das heißt jetzt „Beiträge“ … bitte – wie??
Beitrag ist ein eigentlich typischer Verwaltungsbegriff, seltener auch im Umfeld von Fachpublikationen und Sendestationen anzutreffen. Da gibt es zwar „Beiträge zum Umweltschutz“, „Theologische Beiträge“, den Filmbeitrag u.ä.; vor allem aber gibt es Beitragszahler, Mitgliedsbeiträge, Versicherungsbeiträge, den Unkostenbeitrag und – weiß der Geier – was noch für bedeutungsmäßig positiv besetze Beiträge.
Ein Beitrag trägt etwas bei und ist nicht die Sache selbst. Es soll letztere unterstützen , wird aber leider oft abverlangt, eingetrieben, von fremder Hand arrangiert und bleibt meist nicht mein Eigenes; es wird da etwas übergeben, der eigentlichen, höher stehenden Sache übereignet. – Also in der Wortbedeutung wie geschaffen für tagebuchähnliche, persönliche Texte im Web?
Artikel entstammt dem lateinischen articulus, das ist der Scheide- od. Wendepunkt, der entscheidende Zeitpunkt oder Augenblick; auch: das Satzglied, der Abschnitt, Absatz. Vor allem assoziieren wir Zeitungsartikel damit, die in Form gebrachte aktuelle Neuigkeit. Das Wort Artikel trägt etymologisch einen starken Zeitbezug in sich. Ein Artikel ist dynamisch, wird immer vom Morgen abgelöst und ist so der fast selbstverständliche Idealkandidat im Umfeld von WordPress, wenn es im Verstehen um die Abgrenzung z.B. zur statischen „Seite“ geht. – Eine Traumbesetzung. Das war er, der Artikel, lange Zeit.
Inhaltlich also spräche vieles für den Artikel. Auch technisch-motorisch: wir sind an das Wort und seine Bedeutung in WordPress gewöhnt, der benötigte Sinn als Fachterminus befindet sich hervorragend nahe am Alltagssprachgebrauch und Suchmaschinen-Keywords sind auf WordPress-„Artikel“ geeicht. Kunden, deren Geschäft nicht unbedingt das Studium von Webtechnologien ist, haben es zudem als Fachbegriff verdaut und – nun ja, alle müssten happy sein.
Willst du aber den Geist der Entscheidung zugunsten des „Beitrags“ verstehen, dann ist dieser Beitrag aus dem WordPress-Deutschland-Forum der Schlüssel dazu; hast du hingegen ganze 5 Minuten Zeit, lies vielleicht das 4 Seiten lange Forenthema als Ganzes, im Kontext von Rede und Gegenrede. Der zuerst verlinkte Beitrag jedoch ist jedenfalls seine Lektüre wert.
Die Verteidiger des „Artikels“ werden als verwirrt dargestellt und bekommen es darin deftig „klargestellt“: man habe es sich nicht leicht gemacht. Mit dem „Artikelbild“ (featured image) , seit Einführung der sog. Custom Post Types nicht mehr sinnig genug übersetzt, müsse aufgeräumt werden. Überhaupt gehörten Artikel zur „Altlast“. – Nun, einmal abgesehen von den kampfrhetorischen Grobheiten des in Rede stehenden Forenbeitrags – in meinen Augen wurden hier Wände ausgetauscht, weil es hereinregnete: Artikeltod ganz ohne Not. Man hätte auch etwas über den Sinn des „Artikelbildes“ und den wahrscheinlich ursächlichen Unsinn bestimmter Begrifflichkeiten im WordPress Core sinnieren können, wäre vielleicht für Artikelbild auf das generischere Vorschaubild oder ähnliches, bestimmt noch Treffenderes gekommen, und hätte den „Artikel“ in seiner bedeutungsmäßigen und emotionalen Klarheit dafür am Leben lassen können. Ja nur, weil die Amerikaner ganz locker erst die Leberwurst als Wurst definieren und uns dann den Unterschied von Wurst und Blutwurst erklären wollen (ich rede vom englischen „post“ in seiner mindestens zweifachen Bedeutung), müssen die Deutschen ihnen die mangelnde begriffliche Differenzierung beim Übersetzen unbedingt nachtun?
Aufgrund solcher Vorgänge werden seither in deutschen Landen Bücher umgeschrieben und Video-Tutorials neu produziert. Cool.
Was ist denn daran verwerflich, veraltete Hilfetexte mal neu aufzupolieren. Das bringt nochmal Schwung in die Bude …
Zitat aus vorstehend verlinktem Beitrag
Genugtuend ist es offenbar, den mit Spott gewürzten Schwung so hinaus zu delegieren, in die Welt des WordPress-Supports. Dankeschön.
Ich fürchte, ich werde mir letztlich doch ein eigenes Sprachpaket bauen. Wer wird denn alle Torheiten dieser Welt mitfeiern. Und wenn ich richtig Lust bekomme, dann veröffentliche ich es hier. Vielleicht mag ja meine geneigte Leserin die „Artikel“ ebenso wie ich …
Ach, kann ich eine Nachricht haben, wenn es eine de-Version mit Artikel gibt!
Bitte auch dazu sagen, was damit tun 🙂
Greetings,
B.
Klar, mach‘ ich doch.
Grüße!
zu blöd aber auch – im buchladen gibts schon bücher über wp, die von Beiträgen reden 🙂
pech gehabt 😛
Ja wirklich? Natürlich.
Die Verkäufer reden dem zu, was es als Ware gibt, Hauptsache, sie verkaufen. Währenddessen reden Blogger tagtäglich und weiterhin über die Artikel, die sie schreiben.
Neueinsteiger haben es insofern schwerer. Sie lernen erst von den Verkäufern, und dann lernen sie die Sprache, die im Netz geredet wird. Aber sie kommen bestimmt schnell dahinter (wie wir alle jeden Tag), dass Verwaltungsdeutsch und gelebte Sprache zweierlei sind. Das eine ist die Sprache des Pöstchens, das sich wichtig macht, und das andere die Sprache, die echter Kommunikation dient.